Nach dem Meldeprozedere war viel Zeit, um mit den anwesenden UltraMarathonis einen Schnack zu halten und die eine oder andere Erfahrung auszutauschen. Außerdem konnte man jetzt von denen, die schon häufiger dabei waren, etwas über die Strecke zu erfahren. Eine entspannte Atmosphäre mit spannenden Gesprächen entwickelte sich. Dazu die obligatorische Portion Nudeln. Es war schön hier, auch wenn die Gedanken schon auf den kommenden Tag und die angesagten Hitzetemperaturen gerichtet waren.Der eigentliche Wettkampftag begann um 4.00Uhr morgens. Das Frühstück im Hotel war für 4:45Uhr bestellt und pünktlich um 5:20 ging es Richtung August Bebel Kampfbahn. Dort war bereits geschäftiges Treiben. Einige Läufer hatten vor Ort übernachtet, andere kamen gerade an. Die letzten Vorbereitungen wurden also getroffen, noch der eine oder andere Schnack gehalten und pünktlich um 6Uhr ging es schließlich auf die Strecke. Zwar war es noch etwas kühl, dass sollte sich aber definitiv im Laufe des frühen Vormittags unwiderruflich und kompromisslos ändern. Maria machte einen konzentrierten und dennoch entspannten Eindruck. Für mich ein erstes Zeichen, dass sie nicht nur im Training gut drauf war sondern auch einen super Tag erwischen sollte.
Es war angerichtet. Eher unspektakuläre erfolgte der Startschuss, um 107 100km-Läufer sowie 76 50km-Läufer auf die Strecke zu schicken. Maria, die sich etwas weiter hinten im Starterfeld positioniert hatte, winkte noch einmal und dann ging es los. Rein in diesen besonderen UltraLauf, der den Läufern alles abverlangte und bei dem alleine auf der 100km-Distanz über 1/3tel der Starter später aussteigen sollten.
Die ersten Kilometer waren beeindruckend. Der Morgentau hing über dem angrenzten Kanal und verbreitete eine unvergleichliche Ruhe. Im Wald schien die Sonne durch die Baumwipfel und erleuchtete die feucht diesige Luft. Die Sonnenstrahlen vielen wie durch das Fenster einer Kathedrale in den dunkeln Wald, die Mücken tanzten in den ersten warmen Strahlen. Was für ein Start in den Tag dachte ich noch, wäre da nicht der 100km-UltraMarathon. Und der hatte es schon auf den ersten Kilometern in sich, was mich schnell und unsanft aus der Träumerei riss und zurück in die harte Realität beförderte. Das Läuferfeld ging „ab wie die Feuerwehr“. Das war auch kein Wunder, denn hier waren gleichzeitig die Landesmeisterschaften der Ultraläufer für Bayern und Sachsen. Von dieser Hektik durfte ich mich nicht anstecken lassen. Also konzentrierte ich mich auf den eigenen Laufrhythmus, der schnell gefunden war. So konnte ich mein eigenes Rennen angehen. Meine Taktik war klar: die ersten drei Runden, wo es noch kühl war, mit 6min/km laufen (also 1Std pro Runde) und ab der 4. Runde die Laufgeschwindigkeit runter auf maximal 7min/km (1Std 10min pro Runde) nehmen, dazu immer etwas Zeit rauslaufen, um ausreichend Puffer für die Verpflegung zu haben. Im Nachhinein betrachtet, war das sicherlich der Schlüssel zu meiner persönlichen Bestzeit bei Temperaturen von 37Grad in der Sonne und 29Grad im Wald. Eine Wetterinfo, die später aus dem Orga-Team zu hören war. Alle 10km –Durchgangszeiten fielen später fast auf den Punkt genau in dieses Zeitfenster. Die Fitness war optimal, es passte alles. So ging es konzentriert in die 10 Runden. Immer wieder im Kopf aufgeteilt durch die Verpflegungsstellen sowie der Zwischenzeitnahme im Stadion. Den Helfern an den Versorgungspunkten gilt schließlich das größte Lob. Immer freundlich, immer motivierend und einen netten Spruch parat. Eine Motivation, die einfach ansteckend wirkte. Zu keinem Zeitpunkte fehlte irgendetwas. Selbst in der Mittagshitze fanden die Helfer besondere Antworten auf die Strapazen. An einer der 4 Stellen stand ein Helfer, der jeden Läufer mit einem Handtuch Luft zu wedelte, während er den Versorgungsbereich passierte. Hierbei dachte ich noch, so muss sich ein Boxer im Ring fühlen, wenn ihm das Handtuch zur Frischluftzufuhr umhergeschlagen wird, einfach geil. Dazu immer Fahrradbegleiter auf der Strecke, man war nie alleine.
Schon um 8.30Uhr drückte die Sonne auf die unbeschatteten Laufbereiche. Was von Runde zu Runde heftiger wurde. Selbst im Wald schien streckenweise die warme Luft zu stehen. Dazu der Laufuntergrund. Teilweise feiner Schotter, der weich war und zusätzlich Kraft kostete. Abwechselnd mit grob geschotterten und teilweise asphaltierten Streckenpassagen ergaben sich so immer wieder Bereiche, wo es mit zunehmender Wärme auch anstrengender wurde, zu laufen. Doch der Laufrhythmus hielt und die angedachte Geschwindigkeit passte von km zu km. Auf den ersten Runden kam mir Maria immer wieder entgegen, da Streckenteilbereiche „Hin- und Rückverkehr“ hatten. Sie machte einen durchgängig ruhigen und konzentrierten Eindruck. Selbst ein Lächeln war immer wieder drin. In ihrer dritten Runde dachte ich dann noch: sie wird sicherlich durchlaufen, was sich schließlich auf der vierten Runde bewahrheitete. Unglaublich dachte ich, noch nie ein Marathon und dann in der Hitze die Leistung. Ihr Laufrhythmus war rund und gleichmäßig, mit jedem Mal, wo sie mir entgegen kam, schien sie ein weiteres kleines Stück über sich hinaus zu wachsen. Als Motivation gab ich ihr auf der fünften Runde noch im vorbei laufen mit, dass sie auf das Schild „5.R M“ achten solle, denn da war es soweit. Da war die Marathondistanz in der 5.Runde geschafft und Maria durfte sich mit Recht „Ultramarathoni“ nennen, unglaublich.
War zu Beginn des Wettkampes, als die 50km-Läufer mit auf der Strecke waren, noch ordentlich Betrieb, so wurde es mit zunehmender Zeit doch merklich ruhiger. Immer mehr Läufer mussten der falschen Anfangsgeschwindigkeit aufgrund der Hitzetemperaturen Tribut zollen und stiegen aus, zudem finishten die 50-km-Läufer. Jetzt wurde es ruhig. Jetzt, irgendwo zwischen km40 und km50 wurde es auch für mich zur Tortur. Nun, gegen 11Uhr war es richtig heiss, der ganze Körper hatte zu kämpfen und noch nicht einmal die Hälfte war geschafft. Hier hiess es, konzentriert gegen die Hitze zu arbeiten und das Ziel kompromisslos vor Augen zu behalten. Nur das Tempo halten und den Puls nicht über 145Schläge kommen lassen, war jetzt das Gebot der Stunde und mein wichtigster Gedanke. Ich habe noch nie so häufig auf meine Pulsuhr geschaut wie bei in diesem UltraMarathon. Immer wieder die Zeit je gerade gelaufenen km kontrolliert, immer wieder die Erkenntnis, dass die 7min/km standen! Kilometer um Kilometer, Runde um Runde, Stunde um Stunde. Es lief ruhig und rund. Dann wieder eine Verpflegungsstelle. Viel trinken und dazu jede Menge Wasser über den Körper. War ich in Biel durch den Dauerregen während der 12Std Laufzeit komplett durchnässt, war ich in Leipzig aufgrund der Wasserkühlung schon nach 4 Stunden komplett durch. Irgendwann schalteten dann die Gedanken aus und der ganze Körper war auf Laufen programmiert. Immer wieder durch den feinen Schotter, um den See, durch die Hitze der nicht beschatteten Lauftrecke und durch die teilweise stehend warme Luft im Wald. Und dann wieder ein leichter Windhauch, den ich nur zu gerne aufnahm. Schließlich wieder ins Stadion, wo der Applaus der Zuschauer die Motivation wieder anheizte. Maria war zwischenzeitlich im Ziel und strahlte übers ganze Gesicht, kein Wunder! Dann wieder raus auf die Strecke und abermals die Herausforderung bestehen.
|