Bieler UltraMarathon
Gruppe1Buiel2011

Die Laufgruppe und ihre Betreuer vor dem Start, das Schild weist den Weg zum Start!

In der Nacht, klatsch nas und super gut drauf.

Nach dem Hu-Ji-Min-Pfad- Sammelstelle der Fahrrad-Coaches

Morgens in der Schweiz, 15km von Biel entfernt, Stimmung super.

Wie man sich über ein solches Schild doch freuen kann!

 

Auf dieser Seite gibt es die Laufberichte

 

Die Regenschlacht in den schweizer Bergen – 100km Regen, der etwas andere UltraMarathon. Ein Laufbericht von Fritz Rietkötter

Mein Jubiläumslauf. Alle UltraMarathon und Marathonläufe addiert und durch 42,195 geteilt ergab bei Km68 die magische 50 -also zum 50zigsten Mal die Marathondistanz gelaufen. Es sollte ein ganz besonderer Lauf werden und so begann es schon Tage zu vor, das er seine „Schatten warf“. Die Wettervorhersage lies nichts Gutes erahnen und so schaute ich Tag um Tag auf die Vorhersage und konnte nur immer wieder feststellen: Regen ist sicher, nur wie stark er würde war die Frage.

Los ging es am Donnerstag mit Maria, Hans, Sandra und Hartmut in Richtung Biel. Dort wollten wir uns am Freitag mit Stefan und Sven treffen, den beiden Bekannten von Hartmut. In Biel angekommen hiess es zunächst Zimmer beziehen und dann auf die Marathonmesse, um die Startunterlagen abholen. Der neue Platz, sowohl Start- wie Zielgelände, ist gut gewählt. In der Nähe des HBF und jeweils 5min von unserem Hotel entfernt. Das wird sich auch nach dem Lauf auszahlen, dachte ich mir. Schon jetzt kündigte sich das an, wovon es noch jede Menge geben sollte: Regenschauer. Abends ging es zum Italiener und am Freitag vormittag auf eine kleine Stadterkundungstour. Dann nochmals etwas Ruhen, Abends wieder zum Italiener und dann gegen 21.30Uhr zum Startgelände.

Der Regen lies vorübergehend nach, so dass wenigstens der Startschuss ins trockene fiel. Auf den ersten Kilometer ging es zunächst darum, den eigenen Laufrhythmus zu finden. Ziel war schließlich eine Zeit von „11:59Std-Minus-X“. Also ruhig ins Laufen kommen. Hans lief neben mir und so ging es gemeinsam in den ersten Regenschauer. Einziger Kommentar von Hans: Wenigstens funktioniert die Wasserkühlung. So kann man es auch sagen, war dazu mein einziger Gedanke. Kaum ausgedacht, gab es die erste Regenverschärfung. Es schüttete von oben und an den Steigungen, die wir hoch mussten, kam uns das Wasser in Bächen entgegen. Die Laufsachen waren relativ schnell durch, aber das Körpergefühl war gut. Irgendwann auf den ersten 6km trennten Hans und ich uns dann. Er lief sein, ich mein Tempo.

Bei km12 ging es schließlich in die erste Schlammwertung. Die Wegstrecke führte durch Wiesen und Felder. Der Laufweg wurde schlammig. Los ging es dann aber erst richtig nach einer Rechtskurve. Hier tat sich die erste Wasserstelle auf, so das man denken musste: und wo ist der Fährmann? Es half alles nichts, es ging quer durch. Von oben goss es wie aus Kübeln und von unten liefen die Laufschuhe mit einem Gemisch aus Wasser und Dreck voll. Jetzt hiess es kämpfen. Es regnete mittlerweile so stark, dass das Wasser von der Mütze unter die Laufjacke lief, dort als Rinnsal, mein Bach, an der Wirbelsäule runter und durch die Hose in die Laufschuhe. Die Haut weichte auf, wurde wund gescheuert, durch die nassen Laufsachen / Schuhe. Aber es musste weiter gehen, 85km standen noch bevor. Aus meinen 24-Std-Läufen weiss ich, wie es ist, in die Nacht zu laufen. Wenn es langsam kühler wird, wenn der Körper gegen den eigene Biorhythmus eine Top-Leistung abrufen muss, die Müdigkeit sich mit der Kälte verbündet und der innere Schweinehund zum großen Widersacher wird. Aber wie wird es mit dem Dauerregen? Der Blick zurück am Hang entlang zeigte eine unendlich scheinende Reihe von Stirnlampen und nach vorne das gleiche Zennario. Eine endlos scheinende Lichterreihe. Hier spätestens realisiert man, wie lang diese Nacht der Nächte noch werden wird. Doch das Zeitziel und damit das notwendig Tempo, stand fest. Egal ob rauf oder runter, ob Straße, Schlamm, Stock oder Stein. Das Lauftempo musste auf ca. 6:45min je km gehalten werden, um ausreichend Zeit für Verpflegung und die eine oder andere Schwierigkeit zu haben.

Meine Cap-Light leuchtete nicht nur den Weg aus, sondern gab auch einen faszinierenden Blick auf den prasselnden Regen im Dunkel frei. Irgendwie doch auch interessant dachte ich mir, zumal ich solche Situationen aus dem UltraMarathon Georgsmarienhütte nur zu gut kannte, nur eben die Länge eines solchen „Regenschauers“ nicht.

Nachdem wir wieder geteerten Weg erreichten, ging es Richtung Lyss. Dort warteten die Fahrradbegleitungen. Mit Maria, meinem Fahrrad – Coach, war das Treffen in Laufrichtung linke Straßenseite abgemacht. Also ran an den linken Bordstein. Es dauerte auch nicht lange, da hörte ich schon ihre Tröte, mit der sie die anderen Läufer anfeuerte. Für mich ist dies aber auch immer ein motivierendes Signal, wenn wir mal getrennt wurden, denn ich weiss so, dass sie in der Nähe ist . Gemeinsam ging es dann weiter, Steigungen hinauf und hinunter, immer dem Regen trotzend. Es ging durch Waldgebiete, wo wieder die Stirnlampe ein unverzichtbares Gut wurde. Und immer das Tempo halten. Km um km, immer den gleichen Rhythmus. Irgendwann hörte es auf zu regnen, die Kleidung wurde gefühlt etwas trockener aber nur, um mit dem nächsten Regen wieder zu durchnässen. In den Bergen fallen Schauer eben schon mal etwas stärker aus, als bei uns in der norddeutschen Tiefebene.

Erstes wirkliches Ziel war gegen 2:30Uhr Oberramsen. Hier war km40, Marathonziel und für mich die erste harte Zwischenzeit. Es war kaum zu glauben, trotz der Widrigkeiten hielt die Zeit. Fast auf die Minute kam ich über die Zwischenmarke. Meine Motivation war so groß, ich hätte Bäume ausreisen können. Und der Regen? Egal.. Verpflegung aufnehmen und wieder in die Nacht hinaus. Weitere 15km bis Kirchberg. Hier war die große Verpflegungsstation und hier bei km55 beginnt das Leiden. Erst der Hu-Ji-Min-Pfad, dann die Steigungen und endlos scheinenden Restkilometer. Wie heisst es so treffend für die 100km: Bei km70 hast du die Hälfte erreicht und dann folgt der längere Teil. Aber das war noch hin. Der Rhythmus hielt und dann wieder in einen Schlammweg. Maria war bei der letzten Verpflegung zum Auffüllen unserer Wasservorräte etwas länger geblieben. So das ich an diese Stelle alleine ankam.

Also wieder rein in den Schlamm. Vor mir hat es einem Läufer fast den Schuh ausgezogen. Hoffentlich merkt Maria das rechtzeitig und steigt ab -dachte ich noch-, um nicht mit dem Rad zu stürzen. Falls nicht werde ich es an dem Schlamm sehen, der vermutlich dann überall an ihr kleben würde. Irgendwann schloss Maria, ohne Schlamm, auf und so wurde auch dieses Teilstück bewältigt. Dann kam Kirchberg. Jede Menge Bewegung an der Verpflegungsstelle, die mich aus meinem Rhythmus riss. Hier wurden Läufer und Begleitung wieder getrennt. Jetzt gegen 4.00Uhr ging es auf den Hu-Ji-Min-Pfad und damit im Dunkeln förmlich über Stock und Stein. Jeder Schritt wurde zur Lotterie ob Sturz oder nicht. Trotzdem hielt ich mein Tempo bei. Im faden Licht meiner Cap-Light waren fast alle Probleme einigermaßen auszumachen. Konzentration war hier angesagt.

Und dann kam das, was Biel ausmacht. Plötzlich wurde es heller. Der Morgen kam mit riesen Schritten, die Vögel sangen, der Duft der Natur. Es war nur geil hier zu laufen und zu wissen, dass der eigene Körper unter Volldampf steht. Dann trafen wir Läufer endlich wieder auf unsere Fahrradbegleitungen. Nochmal an die Verpflegungsstelle und dann gemeinsam weiter. Jetzt war das Laufen frei. Keine Unebenheiten, nur noch Strecke machen. Die Gedanken laufen lassen und km um km abspulen. Tempo halten, Puls kontrollieren, alles lief wie ein Uhrwerk. Laufen macht Spass! Steigungen kamen und gingen, es lief. Dann der Start der Konzentration auf den Berg der Berge. Die letzte Verpflegung vor dem Berg war mit 7Minuten eingeplant, den Ort erreichte ich gegen 6:30Uhr. Von Bibern nach Arch ging es auf ca. 12km erst Bergauf und dann bergab. Taten bergauf erst die Muskel hinten weh, dann bergab vorne und somit endlich ein ausgewogener Schmerz überall. Dafür war die Aussicht auf der Kuppe riesig und schließlich auch diese Herausforderung gemeistert.

Dann wieder die Konzentration aufs Tempo halten. Egal ob Berg auf oder ab, egal welche Wegstrecke, welche Steigung. Zeit hochrechnen, „11:59 minus X“ hiess die Vorgabe. Und immer wieder die Feststellung, dass die Laufzeit stimmt. Maria neben mir tat alles für die Motivation, was sich auf den letzten 18km noch vielfach auszahlen sollte und so ging es von Arch an den Fluss Aare. Nun ging es fast 20km gerade aus. Jetzt hiess es Laufen wollen. Immer am Fluss entlang, eine endlos scheinende Gerade. Die Strategie hiess, die Strecke in 5km-Distanzen aufzuteilen. Plötzlich meinte Maria, da angelt einer. Wofür die alles Augen hat, am frühen Morgen? Und wieso Angeln? Hier wird gelaufen und Laufen macht Spass, trotz der Schmerzen überall. Wieder Konzentration aufbauen, in den Körper rein hören. Wo beleibt das Schild 85km? Vor mir hängt ein Läufer an einem Zaun und kotzt. Mir hängt das Geräusch noch die nächsten Kilometer nach. Dann endlich passiere ich km85, die nächsten 5km angehen. Ab km90 nochmals alles mobilisieren und gegen den inneren Schweinehund ankämpfen, das Lauftempo hochnehmen, auch wenn der Körper sagt, es reicht. Ich hänge mich an Marias Hinterrad und konzentriere mich ganz auf den Laufrhythmus. Schmerzen im rechten Oberschenkelmuskel bauen sich langsam auf. Jetzt nur keinen Krampf, dachte ich. Auf die Schrittfolge konzentrieren und auch durch dieses körperliche Tal hindurch. Mein Körper, mein Geist funktionieren.

Dann km95, jetzt dran bleiben. Wieder die Zeit und den Puls kontrolliert. Es passt, verflucht, es passt! dachte ich. 11:30Std gekämpft, vom ersten Kilometer die Laufgeschwindigkeit gehalten, egal ob steinig, Schotter, Matsch, hell oder dunkel (alle 10km Zeiten: 1:08/1:09/1:11/1:12/1:13/1:15/1:13/1:14/1:10/1:09Std). Mein Körper mobilisierte die letzten Kraftreserven. Maria gibt immer wieder Infos, wenn das Lauftempo zu hoch ist. Dann km98, dann km99, die Distanz flog dahin, kurz vor dem Ziel wurde Maria als Fahrrad-Coach auf eine andere Strecke umgeleitet. Hinter den Bäumen lag sie dann, die langersehnte Zielgerade. Der Zeitpunkt, auf den sich die ganze Nacht konzentriert wurde, auf den endlose Trainingskilometer ausgerichtet waren. Die letzte Kurve und dann rauf auf den blauen Teppich, wieso eigentlich kein roter? – egal... Der Sprecher rief meinen Namen, .

Zieleinlauf 100km geschafft!

ich blickte auf die offizielle Uhrzeit und konnte es kaum glauben. Zielzeit 11 Stunden und 54Minuten. 40Minuten schneller als beim letzten Mal. Die Emotionen ließen sich kaum im Griff halten! Der wieder einsetzende Regen war egal. Ich war nur glücklich, auch wenn alles nur noch weh tat. Im Ziel kam mir dann Maria freudestrahlend entgegen. Es war geschafft und zugleich kaum zu glauben, kaum zu fassen. Was Kilometer um Kilometer durchgestanden wurde. Der Regen, die körperlichen Höhen und Tiefen. Alles das macht das Laufen aus und lässt körperliche Grenzen fallen.Nach dem Zieleinlauf gings ins Hotel und zur Ruhe nach dem Duschen ins Bett. Abends gingen wir dann alle gemeinsam Essen. Am nächsten Tag, dem Sonntag, folgte für Maria und mich dann der Kulturteil einer UltraMarathon – Reise. Erst Spaziergang am Bieler See, anschließend einen geführten Stadtrundgang durch die Bieler Altstadt, schließlich mit der Seilbahn auf den Bieler Berg und Abends nach dem Essen ein oder ein mehr großes Bier. Der Weg am Montag zurück nach Wildeshausen wurde schließlich noch von einem Abstecher nach Freiburg in die Altstadt unterbrochen. Hier kommt der Papst im September, ob der auch in Biel vorbei schaut?

Als Fazit lässt sich festhalten, dass auch dieser UltraMarathon, der als „Nacht der Nächte“ beschrieben wird, wieder ein ganz besonderer Lauf war. Ich überquerte in den schweizer Bergen den für mich so wichtigen 2.109,750 Marathon- bzw. UltraMarathon- Kilometer und fand in Biel die vielen Erfahrungen aus diesen Läufen wieder. Sei es die Einsamkeit aus dem Goldenstedter Moormarathon, die Schlammschlacht aus dem 50km-GM-Null-Ultras, das Nachtlaufen aus meinen 24-Std.-Läufen, den Zeitkampf aus dem Elbdeichmarathon, der in diesem Jahr zugleich mein schnellster war, die Stimmung aus den vielen Stadtmarathons oder oder oder…. Ich werde wieder kommen, denn Biel muss man erleben und erleiden. Die Helfer, die einen super Job machen, die Zuschauer, die selbst um 5Uhr klatschend bei Dauerregen an der Strecke stehen, die vielen Läufer aus 19 Nationen… Alles macht diese Nacht der Nächte unvergesslich und zu einem Muss für jeden Läufer.

Position in der AK-Wertung an den offiziellen Messpunkten:

  • Km38 Platz 128
  • Km56 Platz 107
  • Km76,5 Platz 91
  • Km 100 Platz 89

Ergebnisse:

  • Fritz Rietkötter 11:54Std.
  • Hartmut Kramer 13:47Std.
  • Stefan Exner 13:47Std.
  • Hans Kürbis 13:58Std

 

Mit doppel-klick gehts zu den Bildern Biel 2011:

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Vor dem Start, alle gut gelaunt - wie lange bloss noch? Laufen macht Spass - Vorfreude!

Bieler Lauftage 2006 - Teilnahme am 100km UltraMarathon - ein Bericht von Fritz Rietkötter

Am 08.06.2006 (einen Tag vor dem Laufevent) startete die letzte Phase vor der Teilnahme an der größten Laufherausforderung, die ich mir bis dato gestellt habe. Nachdem wir den Wagen gepackt hatten, es musste ja außer den diversen Laufsachen (wer wusste schon, wie das Wetter wird...) auch noch das Fahrrad für meinen Fahrrad-Coach mit. ging es pünktlich um 9.00 Uhr auf in Richtung Biel. Die 816km waren in nicht ganz sieben Stunden schnell erledigt. Je näher wir der Grenze kamen, je näher kam der Ernst dieser Aktion. Die ersten Blicke auf die schweizer Alpen und das tolle Sommerwetter (zur Anreise gab es schon 27 Grad) lies ein wenig Urlaubsstimmung aufkommen. In Biel angekommen wurde zunächst das Zimmer bezogen und anschließend ein kleiner Stadtbummel unternommen. Schließlich wollten Maria und ich ja auch wissen, wie nun diese Stadt aussieht, die für uns in den letzten eineinhalb Jahren das Synonym für den UltraMarathon schlecht hin war. Eigentlich eine ganz nette Sadt, wie wir feststellten. Mit einer tollen Altstadt, vielen Kneipen und Bars (die waren für uns nur leider tabu...) und jeder Menge interessanter Menschen. Gegen 22.00 Uhr trudelten dann auch unsere beiden Bekannten Thomas Hellmond aus Holzbunge (bei Rendsburg - für die Ortsunkundigen) und sein Fahrradcoach Stefan Müller aus Leutkirch (im Allgäu) ein.

Nach einer ruhigen Nacht klingelte dann um 7.00 Uhr der Wecker zu einem Tag, der für die nächsten Jahre sicherlich der Beeindruckste sein wird. Nach einem ausgiebigen Frühstück gab es noch eine interessante Abwechslung durch die Betriebsbesichtigung bei dem in der Nähe ansässigen Dämmstoff - Werk Pavatex (ein wenig Arbeit muss eben sein - und alles ohne Stress). Der obligatorische Italiener-Besuch blieb natürlich auch nicht aus. Wir kehrten gegen 16.00 Uhr nach Biel zurück und holten erst einmal die Startunterlagen. Als wir so in dem Eisstadion von Biel standen, von wo alle Aktivitäten der Bieler Lauftage ausgingen, spürte ich mehr und mehr die aufkommende Unruhe vor diesem UltraMarathon. Überall waren Läufer, die teilweise mit Zelten, Wohnwagen oder Wohnmobilen angereist waren und diesem Laufevent den passenden Rahmen verliehen. Als wir unsere Startunterlagen in Händen hielten, Maria und Stefan mit dem Schild “Coach” aus dem Bereich “Fahrrad - Begleitung” wieder kamen, war es soweit: es konnte endlich losgehen. Doch vor dem Start ging es noch zum Abschluss-Schlaf in die “Falle”, Start war ja erst um 22.00 Uhr -Ach ja, WM - Auftrakt war ja auch noch. Das Fussballspiel bekamen wir auf dem Hotelzimmer mit.

Da sich die Fahrrad - Begleitung der Läufer eine halbe Stunde vor dem Start im Eisstadion einzufinden hatten, verlief die letzte Vorbereitung dann auch in aller Ruhe. Was angezogen wurde war schon lange vorher festgelegt. Ersatzsachen und so allerlei Kleinigkeiten (die Psyche wollte ja auch ruhig gestellt werden...) waren in den Fahrrad - Taschen verstaut. Gegen 21.00 Uhr saßen dann Thomas und ich im Bus Richtung Eisstadion. Die bislang recht unscheinbar in der Stadt verteilten Läufer waren jetzt zweifelsfrei zu erkennen. Ein kurzer Schnack im Bus mit einem ebenfalls erstmals startenden Läufer aus dem bayrischen und dann waren wir da, im Startbereich der Bieler Lauftrage.

Da wir alle mit dem Segen der Technik (Handys) ausgestattet waren, fanden wir uns im Trubel der Läufer und Radbegleitungen problemlos wieder. Die Zeit reichte noch für einige “kluge Sprüche” von Thomas und Stefan und für ein gemeinsames Startfoto. Dann ging die Masse der Farradbegleiter pünktlich um 21.30 Uhr als erste auf die Strecke. Da auf den ersten ca. 22km keine Begleitung erlaubt war, wurden die Coachs unter Polizeibegleitung medienwirksam zum Treffpunkt nach Lyss geleitet. Die Masse der Läufer bereitete sich unter dessen auf den Start vor. Es ist schon interessant zu beobachten, welche “Typen” sich so alles auf diese Strecken machen wollten. Teilweise vielleicht etwas gewagt gekleidet, z.B. mit Puddelmütze (vermutlich gegen einen plötzlichen Wintereinbruch oder Lavinengefahr? - ich weiss es auch nicht- oder eigenwillig in den eigenen Landesfarben gekleidet (der Franzose war immer zu erkennen). Aus den Lautsprechern dröhnte ein unverständliches Gemisch aus französisch, deutsch und regional typischen schweizerisch. Doch irgendwie kam jetzt die innere Ruhe auf. 1,5Jahre der Vorbereitung liegen hinter mir, die Wetterprognose (Nachts um die 7 - 9 Grad, Tags um die 27 - 30 Grad und kein Regen) war ok und die Begleiter bereits auf der Strecke. So kurz vor dem Start war auch einmal Zeit, um ein wenig zurück zu denken: an die vielen guten Wünsche aus dem Wildeshauser - Lauftreff, von Nachbarn und Bekannten; an die vielen verschiedenen Vorbereitungsläufe wie Eifelmarathon, Husummarathon, Ems-Jade-UltraMarathon und viele mehr; an Maria, die jetzt auf der Strecke ist und als Coach ebenfalls ihren “Mann” zu stehen hat; an die vielen Trainingskilometer, die über 1,5 Jahre absolviert wurden. Wie entscheidend die eigene Vorbereitung war, sollte sich später noch herausstellen. Und jetzt ist es soweit, jetzt wartete ich hier mit Thomas auf den Startschuss zu einem Lauf, der alle anderen Marathons in den Schatten stellen wird. 100km durch die schweizer Berge, durch die schweizer Nacht und immer die eigene Motivation vor Augen, dass Ziel auf jeden Fall erreichen zu wollen. Alle Vorbereitungsläufe konzentrierten sich auf diesen Moment und auf die dann folgenden Stunden.

Der Coach - wer ihn nicht hat, der hat es doppelt schwer!?!

Und jetzt war es soweit: Der Countdown lief! Gemeinsam zählte die Läuferscharr von 10 zurück. Der Startschuss viel und das Läuferfeld von über 2.000 Läufern aus 16 Nationen setzte sich in Bewegung. Zunächst ging es ca. 4 km durch Biel. Die Straßen waren gesäumt von Schaulustigen und den bunten Leuchtreklamen der Geschäfte in der eigentlich schon recht dunklen Sommernacht. Ein toller Rahmen für die ersten Kilometer. Motiviert waren alle anscheinend bis in die Haarspitzen und so zog das Feld in einem Tempo davon, dass man denken musste, hier wollten alle “nur” einen Marathon bewältigen. So war es gut, dass Thomas dabei war. Er hielt in norddeutscher Gelassenheit sein ruhiges Anfangstempo und ich hatte immer wieder jemanden, der mich wieder und wieder an das zwingend notwendige langsame Starttempo errinnerte. Die ersten Kilometer gingen - liefen - in aller Ruhe dahin. Aus der Stadt heraus, durch die umliegenden Feld- und Wanderwege dem Ort Lyss entgegen. Und immer wieder der Blick auf die Uhr. Nur nicht zu hoch mit Puls dachte ich mir, doch der lag unbeirrt bei 130 Schlägen. Mit der Zeit wurde es langsam aber sicher immer kälter. Schließlich waren laut Wettervorhersage 7 - 9 Grad angesagt, die es später auch wurden. Die laue Sommerwärme wechselte immer wieder mit kalten Passagen. Meine Vermutung: je höher die Halme der am Wege liegenden Felder, desto kälter wurde es streckenweise. Bei km9 dann der erste Berg. Nur keine Kraft verschenken dachte ich noch und so gingen Thomas und ich sofort in ein zügiges Gehtempo über. Der erste Berg gab dann auch gleich einen Vorgeschmack davon, was uns auf der Strecke noch erwarten sollte. Zum ersten Mal ging mein Puls hoch, fing sich doch schnell wieder bei ca. 130.

Dann kam Lyss und endlich die Fahrrad - Begleitung. Lauter Trubel in der Stadt und die hellen Lichter waren ein interessanter Kontrast zum bisherigen “Naturpfad” durch die schweizer Felder. Hinter Lyss folgte der nächste Berg. Eine Steigung über eine Distanz von ca. 8km. Ein erster Härtetest. Laufen in der Steigung wechselte mit schnellem Gehen am Berg. Immer höher und irgendwie ohne wirklich absehbares Ende, doch das musste so kommen. Schließlich kommt nach jedem “auf” auch ein “ab”. Irgendwo hier am Berg, wo jeder mit sich selbst befasst war, verloren wir dann auch Stefan und Thomas. Jetzt ging es mit Maria durch die schweizer Nacht. Der Mond schien herrlich über die schweizer Berge, als wolle er jeden Läufer einzeln begrüßen. Dann tauchte wieder ein Dorf auf, Musik war zu hören. An der Laufstrecke wurde eine Fete gefeiert. Ein riesen Grill mit noch größeren Bratwürsten und jede Menge Bier, welch ein Anblick - und wir mussten weiter, eigentlich schade... Den Applaus der Feiernden nahmen wir dann mit in die Nacht. Es schien, als würde in jedem Dorf dieser Lauf dazu genutzt, ein Fest zu feiern. Mal liefen wir bei Tina Turner - Musik durch jubelnde Zuschauer, mal durch an der Strecke aufgestellte Schwedenfeuer. Ein echtes Lauferlebnis mit Gänsehautgarantie.

Selbst die Verpflegungsstationen waren, ohne Übertreibung, eine Klasse für sich. Neben Wasser, Sporttee, Isogetränken und Cola gab es Boullion mit Brot (die mich in den Bergen zweifelsohne am Leben erhalten hatte!), Ultra - Nahrung, Orangen, Bananen und auf den letzten Stationen sogar Kuchen!!! Nachdem ich an den Verpfelgungsstellen mit Kuchen vorbei war, musste der ersteinmal wieder nachgefüllt werden... Der Lob für die Organisation und Verpflegung kann eigentlich garnicht groß genug ausfallen.Die Nacht schlich voran und unser Tempo hielt sich kontinuierlich. Immer wieder in mich hörend, ob alles ok sei, bemerkte ich, dass der Schritt rund und ruhig war. Langsam verschwand dann auch der Mond hinter dunklen Tannen und wir kamen an den Berg der Berge. Vor Buechhof galt es auf 5 km ca. 150 Höhenmeter zu überwinden. Teilweise durch dunkle Schotterwaldwege, teilweise über Feldwege. Nur gut das man die Steigungen nicht so sehen konnte - dachte ich noch so bei mir. Die Pulskontrolle verlief aber trotz alle dem noch zufriedenstellend. Immer noch nicht über 145 Schläge und das Tempo war gut. Schritt für Schritt, Meter um Meter. Die Steigung nahm kein Ende. Doch dann endlich, irgendwo im niergendwo, ging es wieder bergab. Bei km50 dann der erste richtige Zwischenwert: 6 Stunden 24 Minuten. Es war kurz vor halb vier. Maria meinte noch, früher bin ich um diese Zeit immer von der Fete gekommen, heute radel ich durch die schweizer Berge, ob dass so richtig ist? Ich fand auf jedenfall ja! Die Hochrechnung zur Zielzeit setzte dann wieder neue Kräfte frei - ein super Tempo trotz der Berge, so kann es weiter laufen.

Der Läufertross war schon beeindruckend. Weit vor uns konnte man an dem Berghang die roten Rücklichter der Fahrradbegleiter erkennen, hinter uns die hellen Lichter eben derer, die den Weg noch vor sich hatten. Eine unendliche Ruhe umgab uns. Jeder Läufer, jeder Coach hatte mit sich und der Strecke zu kämpfen. Es war schon interessant im Halbdunkel zu beobachten, was so mancher Farrad - Coach alles mit sich führte, teilweise konnte man denken, da zieht jemand um (incl. Mikrowelle und Kühlschrank, Zitat von Thomas)... Die Nacht war still und die Sinne wurden auf eine Weise beansprucht, die ich bis dato noch nicht kannte. Ob im Wald oder am Feldrand, die Natur roch einfach einzigartig. Hin und wieder ein seltsames Geräusch irgendwo im Dunkel (der bayrische Bär sollte sich uns doch wohl nicht angeschlossen haben?). Es machte Spass zu laufen, es war ein überwältigendes Gefühl und dass trotz der Nacht und dem noch bevorstehenden Streckenverlauf.

Dann wurde es plötzlich morgen. Die Morgenröte riss mich förmlich aus den Gedanken der Nacht. Ein Sonnenaufgang wurde uns Läufern und Coachs beschert, der alle Strapazen vergessen lies. Über die schwarzen Umrissen der Berge ging in einem roten Schimmer langsam die Sonne auf. Leichte Schleierwolken ließen dieses einmalige Bild dynamisch und doch irgendwie unendlich still wirken. Alleine das überwältigende Vogelgezwitscher durchbrach die Ruhe der ausklingenden Nacht. Nur für diese Eindrücke hatten sich die letzten km gelohnt.

Heller und heller wurde es. Den berühmten Hu-Yi-Min-Pfad durchlief ich konstanz mit einem Schnitt von 8km/Std. (7,5 min/km). Es lief immer besser, auf diesem Teilstück auch ohne Coach. Dann kam, worauf sich jeder vorbereiten musste. Es kam die Wärme. 27 Grad bei voller Sonne waren laut Wetterdienst angesagt und die wurden es auch. Selbst um 8 Uhr schien die Sonne bereits mit einer Kraft, als wolle auch sie ihren Teil zum Bieler Laufevent beitragen. Und immer wieder Steigungen und Gefälle, eine unendlich scheinende Kette. Immer mehr Läufer gingen in Gehpausen über, was bei mir noch nicht notwendig schien - kein Wunder dachte ich, die bezahlen jetzt für ihr Anfangstempo in Biel. Maria war jetzt stehst an meiner Seite und versorgte mich mit den nötigen Infos rund um die Strecke. Wann kommt die nächste Versorgungsstelle, wann der nächste Berg, zwischendurch etwas trinken. Es lief gut bis zu km 75.

Ich lies meinen Blick durch die Natur kreisen und sah dann die letzte wirklliche Steigung hinter Bibern. Am Fuss des Berges laufend, den Ort vor uns und die Strecke am Berg durch die entfernt zu erkennenden Läufer erahnend. Das war schon beeindruckend. Vor allem auch deshalb, weil ich wusste, dass man aus diesem Blickwinkel nur einen Teil des Berges mit seiner Steigung sehen konnte. Die letzte Verpflegung vor diesem Berg und dann hinauf dachte ich noch. Maria folgte mit dem Rad. Hoch und höher - ein guter Slogan für diesen Berg. Hinter der ersten Kuppen dann der Blick auf die nächste Teilsteigung, hinter der nächsten Kurve wieder höher. Es wollte kein Ende nehmen. Die Sonne schien durch die Baumwipfel und dann gab die Straße den Blick auf ein atemberaubendes Tal frei. Wou - dachte ich bei mir. Auch wenn mein Herz jetzt mit 175 Schlägen hämmerte, so war der Anblick der Hit, ein weiteres High-Light.

Nach der Steigung kam noch mehr Berg

Jetzt noch 20km. Es wurde immer heisser und anstrengender doch die Laufzeit war Motivation ohne Ende. Mit ca. 14 Stunden Zielvorgabe gestartet, dann Korrektur auf ca. 13 Stunden und die trotz der Berge haltend wurde jetzt das Ziel nochmals korregiert..Ich wollte eine 12 von der Zeitmessung haben. Also weiter - dachte ich. Maria verglich den Rest der Strecke immer wieder mit unseren bekannten Laufstrecken und das half. Die letzten 8km wurden dann zur Qual. Die Sonne schien ununterbrochen, die 27 Grad waren bestimmt erreicht und Schatten gab es nicht wirklich. In einem Wald ging es kontinuierlich in kleine Steigungen und Gefälle hinein. Das Tempo war dennoch gut und dann kamen die ersten Umrisse von Biel. Auch wenn die letzten Kilometer nicht vergehen wollten, so kamen wir dem Ziel um jeden Meter näher.Vom Ende der letzten Biegung konnten wir dann den Zielbereich erkennen. Unendliche Freunde machte sich breit. Auf die Zielgerade einbiegend wurde mein Name vom Stadionsprecher bekannt gegeben und dann war es soweit. Nach 12 Stunden 35 Minuten und 56 Sekunde überlief ich die Ziellinie. Maria wartete breits im Zielbreich. Wir waren überglücklich, es war geschafft. Nachdem wir uns im Zielbereich körperlich gesammelt hatten folgte dann auch Thomas und Stefan nach knapp 14 Stunden über die Ziellinie.

Sonnenaufgang in der Schweiz - ein neuer Tag beginnt

Doch jetzt mussten wir den Berg wieder runter. Aus den Erfahrungen des Eifelmarathon wusste ich, was mich jetzt erwartete. Mit jedem Schritt galt es, die Geschwindigkeit und das Körpergewicht abzufangen. Wo meine Oberschenkel saßen wusste ich jetzt genau! Aus meiner Vorbereitung wusste ich, dass hier schon so macher rückwärts runter ging, weil die Kraft nicht mehr reichte - jetzt wusste ich warum. Dann in Arch die nächste Verpflegungsstation. Die Zeit hoch rechnen, den Puls kontrollieren und immer am Laufen bleiben dachte ich nur. Wie gehabt mit drei Bechern in der Hand, einem Bananenstück im Mund und Brot in der Tasche trottete ich weiter. Die Boullion schmeckte wieder richtig toll.

Kontrolle Puls und Essen - der Körper funktioniert wie ein schweizer Uhrwerk.   Nummer 171 - es geht immer weiter!

Das Fazit: Die 100km von Biel ist eine Laufherausforderung, die alles zu bieten hat, was man sich wünscht. Eine vorbildliche Organisation bildet dabei den Rahmen für einen tollen UltraMarathon! - einmal muss jeder mindestens in seinem Läuferleben nach Biel!

Die gelaufene Zeit:

12:35:16 - Rang 658 von knapp 2.000 Läufern, Rang 162 in meiner Altersklasse

Durchgangszeiten:

km

Zeit

min/km

Uhrzeit

Rang gesamt

Rang Alters- klasse

38,5

4:51:28

7:55

2:51

1114

242

56,1

7:06:47

7:59

5:06

928

210

76,6

9:41:10

7,58

7:41

735

175

100

12:35:16

7:55

10:35

658

162

 

Ein starkes Team in einem UltraMarathon, wo man die Erkenntnis lernt, dass gelaufene Zeiten am Ende doch zur Nebensache werden. Dabei ist es das Größte, die Herausforderung zu bestehen..

Einmal ist jeder Lauf vorbei - eigentlich schade!

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